Needling an der Schulter
Kalzium-Hydroxyapatit-Ablagerungen in den Sehnen der Rotatorenmanschette, insbesondere der Supraspinatussehne (zirka 80-90 % aller Verkalkungen der Schulter) sind eine häufige Ursache von Schulterschmerzen beim Erwachsenen. Die Verkalkungen kommen in der Mehrzahl bei Frauen (70 %) und meistens zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr vor. Die Ursache ist meistens eine Minderdurchblutung der so genannten kritischen Zone der Sehne, welche knapp 1 cm vor dem Ansatz am Oberarmknochen liegt. Die daraus resultierende Minderversorgung mit Sauerstoff führt zu einer Narbe mit anschliessender Verkalkung ohne Nachweis eines eigentlichen Sehnenrisses. Dieser Zustand heilt oft spontan wieder ab.
Die Indikation für ein Needling der Verkalkungen besteht nur beim Patienten mit Symptomen wie Schmerzen und schmerzbedingte Bewegungseinschränkungen, wobei bei bis zu 40 % dieser Patienten Verkalkungen ohne Schmerzen in der anderen Schulter vorkommen.
Weshalb kommt es bei Sehnenverkalkungen zu Schmerzen?
Die Ursache der Schmerzen ist nicht der Kalk selber sondern die Entzündungsreaktion, welche sich in den benachbarten Sehnenanteilen bildet. Dennoch ist die Grösse der Verkalkung (insbesondere wenn diese mehr als 15 mm Durchmesser aufweisen) oftmals direkt proportional zu der Stärke der Symptome. Die Schmerzen treten meistens nachts verstärkt auf, führen aber auch zusätzlich zu einer Einschränkung der Tätigkeiten im alltäglichen Leben und oftmals zu einer nicht unbedeutenden psychischen Belastung.
Die perkutane Therapie dieser Verkalkungen unter Durchleuchtung wurde bereits 1978 von Comfort und Arafiles eingeführt und wird seither an Zentren auf der ganzen Welt durchgeführt. Die klinische Erfolgsrate betreffend Schmerzfreiheit und Bewegungsumfang beträgt dabei zwischen 60 % und 74 %. Das Needling entspricht einer deutlich weniger invasiven Therapie als die chirurgische oder arthroskopische Kalkentfernung. Eine neuere Studie aus dem Jahr 2009 konnte eine bedeutende Verbesserung der Schmerzsymptomatik und insbesondere Beweglichkeit der Schulter bis zu einem Jahr nach Needling zeigen, wobei im weiteren Verlauf über 5 und 10 Jahre kein Unterschied zu einer nicht therapierten Kontrollgruppe fest zu stellen war. Dies vermutlich als Folge der Tatsache, dass oftmals eine Spontanheilung besteht.
Wann kann ein Needling an der Schulter durchgeführt werden?
Voraussetzung für ein Needling ist das Vorliegen einer gut abgrenzbaren Verkalkung in einer konventionellen Röntgenaufnahme in Innen- oder Aussenrotation und bei älteren Patienten (oder nach vorhergegangenem Unfall) eine Beurteilung der Sehnenintegrität mittels Ultraschall oder noch besser einer MR-Arthrographie. Die Verkalkung wird unter Durchleuchtung frei projiziert und nach entsprechender lokaler Betäubung mehrmals mittels einer dünnen Nadel fragmentiert und herausgespült. Ziel der Spülung ist eine möglichst vollständige Entfernung der Verkalkung,wenn dies bei sehr festen oder kleinen Verkalkungen auch nicht immer ganz möglich ist. Die Literatur zeigt aber, dass auch eine nur teilweise Kalkentfernung zu einer vollständigen Heilung führen kann, weil der Eingriff eine spontane Resorption der Restverkalkungen provoziert.
Die Anzahl der Wiederholungen der Punktionen der Sehne entspricht meistens einem Kompromisszwischen dem Ausmass der Fragmentierung und dem Risiko der Verletzung der Sehne durch die Nadel selber. Am Ende der Intervention wird ein langwirksames Steroid, teils in die Sehne und teils in den benachbarten Schleimbeutel, appliziert.
Wann ist mit einer Schmerzreduktion zu rechnen?
Der Patient verspürt üblicherweise nach einem Intervall von 3 bis 5 Tagen eine deutliche Reduktion der Schmerzsymptomatik, dies bis zur Schmerzfreiheit. Entsprechend ist eine deutlich verbesserte Beweglichkeit im Schultergelenk vorhanden. Sollte keine vollständige Schmerzfreiheit erreicht werden, so kann die kleine Intervention nach einem Zeitintervall von 3 Monaten wiederholt werden. Das Zeitintervall ist dabei so gewählt, dass eine gute Reparatur der Sehne von der vorhergegangenen Traumatisierungen gewährleistet ist und nicht eine durch den Arzt verursachte Sehnenruptur entstehen kann.